Spieglein, Spieglein… Selfie, Selfie…

Die Bedeutung des Spiegels für uns

Welche Bedeutung hat denn der Spiegel für Dich und mich, für uns alle? In jedem Falle ist er auch ein Mittel der Selbstreflexion, Selbsterkenntnis und darüber hinaus der Selbstdarstellung des Menschen. Ich finde, es bereichert uns, wenn wir uns dies bewusst machen.

Auf ARTE.de, dem deutsch-französischen Fernsehsender, bin ich auf drei hoch interessante Videos zum Thema Spiegel gestoßen, die ich Dir unter diesem Beitrag verlinke und die mich inhaltlich auch zu diesem Artikel inspiriert haben. Gerne greife ich nachfolgend auch einige Überlegungen und Gedanken daraus auf.

Die Selbstwahrnehmung durch den Spiegel

Interessant finde ich für Dich und mich vor allem die grundlegende Erkenntnis, dass unsere Selbstwahrnehmung untrennbar mit dem Bild verbunden ist, das wir von uns im Spiegel wahrnehmen und dies hat wiederum einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unsere Gesellschaft und die Geschichte und Entwicklung der Menschheit als Ganzes. Unter diesem Gesichtspunkt habe ich den Spiegel bisher nicht betrachtet, um ehrlich zu sein.

Die Bedeutung des Spiegels in der Kunst und den Medien

Auch in anderen Medien wie beispielsweise dem Film kommt dem Spiegel von Anfang an eine besondere Bedeutung zu. Spiegel ermöglichen einen Rückblick, oder eine Überleitung in eine andere Welt (wie beispielsweise in die Welt der Toten), es gibt natürlich auch Spiegel, die einem Angst vor dem eigenen Spiegelbild machen oder auch verwunschene Spiegel, wie in Schneewittchen. Oder auch Dinge und Menschen und Vampire, die gar kein Spiegelbild haben. Im Film gibt es aber auch Spiegelbilder, die machen was sie wollen und quasi ein unabhängiges, eigenes Leben führen. Dadurch wird eine Dualität symbolisiert, die bei gespaltenen Persönlichkeiten wie Serienkillern im Film mittels des Spiegels noch drastischer und eindrucksvoller symbolisch verdeutlicht wird. Oft wird aber auch ein Selbstzweifel durch einen zerbrochenen Spiegel oder einen Spiegel mit Sprüngen plastisch deutlich gemacht. Selbstgespräche als Selbstreflexion finden oft ebenfalls vor Spiegeln statt. Im Film werden Spiegel aber auch durch die sogenannten unendlichen Spiegel verstärkt oder aber sie verflüssigen sich oder sind – im Gegenteil – wiederum ganz undurchlässig… Für detailliertere Informationen bitte ich Euch einfach den ARTE-Dokumentarfilm zu diesem Thema anzuschauen, den ich Euch hier verlinke. Ja, nicht nur im Film überall in der Kunst, Malerei, Fotografie, Literatur und in den Medien kommt der Spiegel seit dem 19. Jahrhundert vor. Oft dient er auch dazu erotische Elemente zu untermalen…

Der Spiegel als besondere Kostbarkeit

Am Anfang sahen sich die Menschen nur in kleinen Ausschnitten und verschwommen oder aber in Flüssen, Seen oder Bächen. Seit der Antike ist der Spiegel ein kostbares und seltenes Gut. Erst ab dem 16. Jahrhundert produzieren Glasmacher Spiegel aus Spiegelglas, vorher bestanden die Spiegel aus poliertem Metall, wie beispielsweise Kupfer.

Ludwig XIV, der Sonnenkönig, lässt sich in Versailles den berühmten Spiegelsaal mit diesem damals seltenen Luxusgut ausstatten. In Saint Gobain entstand dafür eigens eine Glasmanufaktur. Ein überwältigender Ausdruck seiner Allmacht, Vormachtstellung und Inkarnation absolutistischen Lebensstils . Du darfst nicht vergessen, dass nur der Hof damals das Privileg hatte, sich in Spiegeln von Kopf bis Fuß betrachten zu können. Der arme Bauer sah sich höchstens kurz verzerrt in einem Messerrücken. Oder aber ausnahmsweise bei einem seltenen Arztbesuch.

Der Siegeszug des Psyche Spiegels

Im 19. Jahrhundert wurde dann der Psyche genannte Ankleidespiegel Mode. Zuvor war das Privileg sich im Spiegel betrachten zu können nur den Fürsten, den Reichen und Mächtigen vorbehalten. Der französische Historiker Philippe Artières meint, dass die Modernität 1850 beginnt mit dem Standspiegel, der sogenannte Psyche. Ab dieser Zeit geht es beim Menschen auch um Selbstdarstellung, darum wie wir alle – Du und ich – in den Augen der anderen um uns herum wirken.

Der Spiegel als gesellschaftliches Phänomen

Der Spiegel erhält ab dieser Zeit eine nicht zu unterschätzende soziale Funktion, aber anderseits auch eine innere Funktion der SELBSTWAHRNEHMUNG und somit der SELBSTBEURTEILUNG. Frisöre, Bekleidungsgeschäfte, Schaufenster, Hutmacher etc. bringen ab dieser Zeit für die Kunden überall Spiegel an.

Der Spiegel: Individuum vs Kollektiv

Auch nimmt der Mensch sich ab dem 19. Jahrhundert mehr als INDIVIDUUM wahr und der Spiegel tritt ab dieser Zeit einen Siegeszug in der Fiktion, Literatur, Malerei und vielen anderen Künsten an.

Laut dem französischen Historiker Philippe Artières ist der Spiegel einerseits ein Mittel der Emanzipation der Frau und andererseits entsteht dadurch gleichzeitig eine Machtergreifung – um nicht zu sagen – Dominanz durch die Männer, die unser Frauenbild auf diese Weise bis heute prägen, manipulieren, einschränken und die männliche Herrschaft auf diese Weise zum Ausdruck bringen. Leider ist dem auch wirklich immer noch so aus meiner Sicht als Frau.

Der Spiegel ist somit nicht nur ein Spiegel des Individuums – also von Dir selbst, sondern auch der Gesellschaft als Kollektiv.

Das Selfie als idealisiertes oder fiktionales Social Media-Selbstportrait

Seit Anfang der 2000er Jahre gibt es das SELFIE. Dies ist im Grunde genommen eine Fotografie mit einer Frontkamera, eine besondere Art des Selbstportraits. Seit den 2010er Jahren ist das Selfie besonders in den sozialen Medien populär. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Gruppenselfies. Der Selfiestick ermöglicht es Dir sogar, Dich von Kopf bis Fuß abzulichten. Trotzdem mögen wir uns im Spiegel lieber als auf Selfies, wie ein interessanter Artikel der Deutschlandfunknova.de erklärt.https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/warum-wir-uns-im-spiegel-lieber-moegen-als-auf-selfies.

Das Spannendste daran ist für mich jedoch, dass Filter es spielend leicht ermöglichen, eine idealisierte oder aber auch fiktionale, verfremdete Selbstdarstellung – ein Wunschbild von uns selbst – in den Social Media zu zelebrieren. Des Weiteren ermöglichen Rollenspiele – wie beispielsweise auf TikTok zu sehen – es ein kleines Video mit uns selbst aufzunehmen.

Auch kannst Du das eigene Selbst auf eine Zeitreise schicken und Dich selbst mittels dieser Filter jünger oder älter erscheinen lassen… Je nach Gusto und Laune. Du kannst Dich somit mit Deinem zukünftigen Ich konfrontieren, wenn Du Lust – oder vielmehr den Mut – dazu hast.

Der Spiegel und die menschliche Seele

Auch rankt sich viel Aberglauben um den Spiegel in Verbindung mit der menschlichen Seele, wie beispielsweise dass

  • ein zerbrochener Spiegel sieben Jahre Unglück bedeuten.
  • Spiegel abgedeckt werden müssen, damit der Spiegel nicht die Seele des Sterbenden fängt und gefangen halten kann.

  • wenn in einem Haus ein Spiegel von der Wand fällt, zu diesem Zeitpunkt jemand stirbt.

Viele dieser nicht zu beweisenden Geschichten gehen noch auf die alten Römer zurück!

Christine de Pizan und “Die Stadt der Frauen”

Last, but not least möchte ich gerne noch ein eindrucksvolles Beispiel eines literarischen Gesellschaftsspiegels erwähnen: Das Werk der französischen Schriftstellerin Christine de Pizan. Sie schrieb im 14. Jahrhundert „La Cité des Dames“, die Stadt der Frauen, eine feministische Utopie, die als Gegenantwort auf die stark verbreiteten und dominanten frauenfeindlichen Schriften Ihrer Zeit gedacht war. So spiegelte sie kritisch ihre damalige Kultur und Gesellschaft.

Übe konstruktive Kritik an Deinem Spiegelbild!

Abschließend möchte ich Dich freundlich, jedoch mit Nachdruck, auffordern, Dich einmal kritisch mit Deinem Spiegelbild auseinander zu setzen. Möchtest Du Deine Haarfarbe, Frisur oder Deinen Kleidungsstil – oder wenn Du eine Frau bist – Deine Schminktechnik verändern?!? Dann tue es einfach – nur Mut! Experimentiere einfach! Oft ist es beflügelnd. Arbeite an Dir. Dein Spiegelbild sagt Dir, dass Du etwas übergewichtig bist? Dann tue aktiv etwas dagegen. Oder…, dass Du mehr Sport treiben solltest? Dann mach` es doch einfach! Dein Spiegelbild sagt Dir, dass Du übermüdet und matt bist? Dann gehe einfach früher zu Bett und strebe einen anderen gesünderen Lebensrhythmus an.

Du kannst Dich positiv verändern. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dies möglich ist, wenn auch – zugegebenermaßen – nicht ganz einfach… Bleibe am Ball, dabei jedoch bitte immer authentisch!!!

ARTE.de – Spieglein, Spieglein auf YOUTUBE

ARTE.de – Der Spiegel im Film

https://www.arte.tv/de/videos/052439-075-A/der-spiegel-im-film/

ARTE.de – Blow up – Spiegel, Scheiben, Scherben im Film

https://www.arte.tv/de/videos/077140-081-A/blow-up-spiegel-scheiben-und-scherben-im-film/

YOUTUBE Video über Christine de Pizan (Die Stadt der Frauen)

Deutschlandfunk – Warum wir uns im Spiegel lieber mögen als auf Selfies

https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/warum-wir-uns-im-spiegel-lieber-moegen-als-auf-selfies