Der weibliche Lustschmetterling & Sexismus

Die Klitoris – eine wahre Superheldin!

Sie ist praktisch das Zentrum des weiblichen Körpers. Dies ist auch bereits Grund genug ihr einen Blogartikel zu widmen. Viele Menschen mit Vulva haben eine schwierige Beziehung zu ihrer persönlichen Heldin und empfinden sie oft als nicht so formschön. Übertriebene und unrealistische Darstellungen in pornographischen Werken tun hier ein Übriges. Wie traurig! In unserer Gesellschaft ist es wichtig, dass sich die Haltung dazu grundlegend ändert, damit auch das Schönheitsideal und die eigene Wahrnehmung richtig gestellt wird.

Leider hat die Entdeckung der Anatomie dieses empfindsamen Schmetterlings auch eine erschreckend sexistische Vergangenheit hinter sich. Daher halte ich es für essenziell, sich einmal darüber auszutauschen.

Die Königin der Lust

Die Klitoris ist bekanntermaßen der Sitz des weiblichen Verlangens, der Lust und des Vergnügens. Sie sitzt daher in der Mitte des Körpers und ist von zentraler Bedeutung für alle Menschen mit Vulva.

Auch hat es mich überrascht, dass die Klitoris in den romanischen Sprachen männlich ist. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt “kleiner Hügel”. Dabei ist das zentrale, weibliche Lustorgan weitaus größer und verfügt über einen großen innenliegenden Teil.

Wissenswertes über die Klitoris

Die Klitoris hat die Form eines Schmetterlings – das wissen wir alle – zumindest seit 1989 sollte diese Tatsache der breiten Öffentlichkeit bekannt sein.

Beide Seiten der gesamten Klitoris sind etwa elf Zentimeter lang und dieses Organ ist sehr gut mit Nervenenden ausgestattet: 8.000 Nervenenden treffen aufeinander. Das ist wesentlich mehr als bei der männlichen Eichel.

Wie der Penis hat auch die Klitoris eine Vorhaut, eine Drüse, einen Schwellkörper und auch einen kleinen Schaft. Wie der Penis schwillt auch die Klitoris bei Erregung an.

Die Funktionsweise der Klitoris

Die Klitoris besteht aus einer äußeren Eichel, die an der Spitze der Vulva sichtbar ist und in einer Hautkappe warmgehalten wird. Der innere Teil besteht aus Schwellkörpern und vestibulären Bulben, die auch während eines vaginalen bzw. klitoralen Orgasmus reagieren. Bei Erregung schwellen diese Teile mit Blut an und übern Druck auf die Vagina aus. Der Vaginaeingang wird dadurch enger. Sie ermöglichen auch das Gefühl eines Orgasmus.

Klitoris und Penis – derselbe Ursprung

Übrigens haben die Klitoris und der Penis denselben Ursprung in der Evolution und sind sogenannte homologe Organe mit derselben Grundstruktur: Beide Organe beginnen ihren Ursprung als „Genitalhöcker“. Die Klitoris entwickelt sich erst etwa in der achten Schwangerschaftswoche; davor sehen die Embryonen gleich aus.

Männer verwenden ihren Penis zum Urinieren und zum Ejakulieren, die Klitoris jedoch hat einzig und allein die Funktion Frauen ein erregendes und einzigartiges Gefühl zu schenken.

Die Klitoris und das Eisbergprinzip

Was von der Klitoris an der Oberfläche zu sehen ist, entspricht nur der Spitze des Eisbergs und ist lediglich ein kleiner Bruchteil ihrer tatsächlichen Größe. Die von außen sichtbare Klitorisdrüse ist der empfindlichste Teil des Organs. Sie befindet sich in der obersten Region der inneren Vulvalippen und ist von einer Vorhaut umgeben.

Der angrenzende Klitorisschaft und die beiden Klitorisschenkel, sowie die beiden zwiebelförmigen Schwellkörper sind nicht sichtbar.

Die Schenkel reichen tief in das Becken hinein, während sich die beiden Schwellkörper punktuell an die Vorderwand der Vagina schmiegen und den Scheidenvorhof elastisch umschließen. Das Bild zum Artikel habe ich übrigens selbst gezeichnet. Dort kannst du dir die Form schön plastisch vorstellen.

Die Geschichte der (Wieder)Entdeckung der Klitoris

Helen O`Connell – und ihre bahnbrechenden Studienergebnisse

Helen O’Connell, eine australische Urologin und Professorin für Chirurgie an der Universität von Melbourne, veröffentlichte 1998 ihre bahnbrechenden Forschungsergebnisse über die Anatomie der Klitoris.

Bis dahin gab es nur sehr wenige Untersuchungen zu diesem Thema, weshalb die anatomischen Dimensionen des weiblichen Genitalbereichs bis dahin der breiten Öffentlichkeit unbekannt waren. Außerdem standen der Forscherin zu diesem Zeitpunkt keine wirklich nützlichen Bücher zu diesem Thema zur Verfügung. Ein Skandal! Man bedenke, dass die Menschheit Jahrzehnte zuvor bereits auf dem Mond war und die Kernspintomographie MRT auch bereits seit langer Zeit entwickelt wurde.

Helen der “Klitoris-Guru”

Heute hat Helen O’Connell den Status eines “Klitoris-Gurus”. In der Tat ist es ein Skandal, dass diese Entdeckung erst 1998 gemacht wurde! In der Zwischenzeit waren Menschen auf dem Mond, die Kernspintomographie MRT ist auch bereits seit Jahrzehnten entwickelt und die Menschheit hat unzählige andere revolutionäre Entdeckungen gemacht!

Das liegt einfach daran, dass wir seit jeher in einer von Männern dominierten Welt leben und keiner der Herren – anatomisch gesehen – wirklich am Schmetterling der weiblichen Lust interessiert war.

Die Klitoris & Sexismus

Aus der Studie von O`Connell mit einer anschließenden Veröffentlichung im Jahre 2005 ging hervor, dass die Klitoris viel mehr ist als ein kleiner, von außen sichtbarer Hügel. Die Forschungsergebnisse von O’Connell hat der Sexualforschung neue Türen geöffnet, so dass wir heute glücklicherweise immer mehr über die Anatomie der Klitoris und ihre Funktionen wissen.

Die erste wissenschaftliche Beschreibung der Klitoris wurde in der Renaissance von dem paduanischen Anatomen Realdo Colombo im Jahr 1559 veröffentlicht und ist ein häufig untersuchtes Beispiel in der Geschichte der Medizin und der Sexualforschung.

Die Klitoris in der Renaissance

In seinem anatomischen Werk “de re anatomica” behauptete Colombo, die Klitoris als “Ort der weiblichen Lust” entdeckt zu haben.

Die “Entdeckung” der Klitoris in der Renaissance ist in vielerlei Hinsicht ein interessantes wissenschaftsgeschichtliches Phänomen.

Die Tatsache, dass die Klitoris in der anatomischen Beschreibung des Menschen vor Colombo nicht vorkommt, zeigt, dass die anatomische Beschreibung des Menschen in der Regel eine anatomische Beschreibung des männlichen Körpers war.

Schreit das nicht nach Sexismus?

1901: eine sexistische Zensierung der Klitoris

Im späten 18. Jahrhundert beschäftigten sich männliche Anatomen vor allem mit der physiologischen Funktion der Klitoris. Die Rolle der Klitoris für das weibliche Begehren wurde jedoch bereits 1724 in populären Schriften, u. a. vom Arzt und Sozialreformer Bernard de Mandeville beschrieben.

Diese korrekte Einschätzung der Klitoris widersprach jedoch der gängigen antiken anatomischen Theorie über die Geschlechtsorgane.

Unter dem Einfluss von Galenos wurden die Vagina und der Penis nicht als zwei grundsätzlich verschiedene Organe betrachtet.

Vielmehr ging man davon aus, dass die Vagina ein nachinnen gerichteter Penis sei und dass die weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane ähnlich aufgebaut seien.

Die Klitoris, die Colombo als eine Art Penis bezeichnete, passte nicht in diese Theorie. Im Jahr 1844 veröffentlichte Georg Ludwig Kobelt eine sehr detaillierte anatomische Beschreibung der Klitoris, einschließlich ihrer tieferen Struktur.

Im Jahr 1887 wurde die Klitoris in “Gray’s Anatomy”, einem Standardwerk der Anatomie, veröffentlicht. Hier wurde die Klitoris noch in ihrer ursprünglichen Größe gezeigt.

Im Jahr 1901 war sie nur noch als kleine Ausstülpung dargestellt, und 1913 war sie vollständig aus “Gray’s Anatomy” verschwunden. Unglaublich!

Über 25 Jahre später: Das Tabu besteht fort!

1998 veröffentlichte die australische Urologin Helen O’Connell die Ergebnisse ihrer Forschungen über die tiefe, weit verzweigte Struktur der Klitoris.

Über ein Vierteljahrhundert nach der Veröffentlichung der Forschungen der Professorin O’Connell besteht das Tabu um die Klitoris fort, und ihre wahre Form ist vielen Menschen nach wie vor unbekannt. Unglaublich, aber wahr!

Sogar die Online-Version der Oxford Dictionaries beschreibt die Klitoris immer noch als “ein kleinen, empfindlichen, erigierbaren Teil der weiblichen Genitalien am vorderen Ende der Vulva”. Außerdem werden viele Konten in den sozialen Medien, die sich ernsthaft mit diesem Thema befassen, regelmäßig von den betreffenden Plattformen geschlossen.

Was für eine Schande im Jahr 2022! So viel zum Mythos Gleichberechtigung in unserer modernen Gesellschaft. Dieser Tatbestand sollte uns allen, Frauen wie Männern zu denken geben. Wie gehen wir miteinander um!

Quellen

TED Talk mit Helen O`Connell

Get Cliterate | Professor Helen O’Connell | TEDxMacRobHS – YouTube

Get cliterate

https://www.smh.com.au/lifestyle/health-and-wellness/get-cliterate-how-a-melbourne-doctor-is-redefining-female-sexuality-20181203-p50jvv.html

Wie funktioniert die KLITORIS?

Wie funktioniert die KLITORIS? – YouTube

Serie „KNICK KNACK“/„Komm schon“ mit Mia und Lars

Wie funktioniert die Klitoris – YouTube Video

Wie funktioniert die KLITORIS? – YouTube

Serie „KNICK KNACK“/„Komm schon“ mit Mia und Lars

Video über Klitorisorgasmus

„Bewusstes Liebesleben“ mit Susanne

Klitoris Orgasmus ✨ So stimulierst du deine Klitoris – YouTube

Das Mysterium der Klitoris Arte „Wer nicht fragt, bleibt dumm“

Das Mysterium der Klitoris | Wer nicht fragt, stirbt dumm | ARTE – YouTube

@doctor sex . DAK Gesundheit

Das ist die Klitoris | @doktorsex | DAK-Gesundheit – YouTube

Klitoris & Vulva – 30 Fakten, die kaum jemand kennt

Klitoris & Vulva 🌸 30 Fakten, die kaum jemand kennt – YouTube

Englischer Artikel aus “The Guardian”

https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2020/nov/01/the-sole-function-of-the-clitoris-is-female-orgasm-is-that-why-its-ignored-by-medical-science

Weibliches Fortpfanzungssystem

Weibliches Fortpflanzungssystem: Was hat die Klitoris mit dem Penis gemeinsam? | wissen.de